Das Weltall als Motor der Lebensqualität

Satelliten

Die Raumfahrtbranche schreibt gute Zeiten.

Neben den groß angelegten neuen Forschungsprogrammen (Rückführung von Asteroidenproben, neue bemannte Flüge zum Mond, hochmoderne Rover der USA und Chinas auf dem Mars und dem Mond usw.) herrscht auch auf der Erdumlaufbahn geschäftiges Treiben.

Vor einigen Jahren noch konnte sich die Branche mit 20 bis 25 Aufträgen für geostationäre Satelliten (GEO-Satelliten) pro Jahr glücklich schätzen. Im Jahr 2012 wurden dann bereits insgesamt 134 Satelliten in die Erdumlaufbahn befördert (21 GEO-Satelliten, einige Starts zum Aufbau von Erdbeobachtungs- und Ortungskonstellationen und eine Reihe kleiner Satelliten für diverse Zwecke) und im 2020 waren es sage und schreibe weitere 1272 kleine Erdbegleiter, die uns nun zusätzlich umschwirren. (Und Mitte September 2021 sind es mit fast 1400 jetzt schon mehr als im gesamten Vorjahr).

Kleinsatelliten

Verantwortlich für diese Zahlen sind die Kleinsatelliten (SmallSats). Sie haben die Weltraumlandschaft mit zwei Trabantentypen regelrecht überflutet: Nanosatelliten (mit einer Masse von weniger als 10 kg) und große Konstellationen von Kommunikationssatelliten (in der Regel je 150 bis 250 kg schwer).

Nanosatelliten, zu denen auch die Modelle nach CubeSat-Standard gehören, ermöglichen den Zugang zum Weltraum zu einem Bruchteil der Kosten, die bei anderen Satelliten für die Trägersysteme anfallen. Obwohl sie sehr klein sind, ermöglichen die Fortschritte bei der Miniaturisierung der Komponenten komplexe Missionen, was zusammen mit ihren weniger teuren Starts zu ihrer Verbreitung beigetragen hat. Von den rund 1750 bisher gestarteten Nanosatelliten wurden nur etwa 100 vor mehr als 10 Jahren in die Umlaufbahn gebracht. Planet Labs hat bisher 450 Nanosatelliten in verschiedenen Konstellationen gestartet, von denen 150 der sogenannten „Tauben“ immer noch ihre Kreise ziehen. Und Spire Global hat ca. 100 seiner „Lemuren“ im All ausgesetzt.

Für weitere Informationen über Nanosatelliten empfehle ich die Einführungsseite des spanischen Unternehmens Alén Space sowie die Nanosats Database.

Große Konstellationen

Bei den großen Konstellationen handelt es sich um eine Reihe von Satelliten, die koordiniert arbeiten, um eine bestimmte Mission zu erfüllen. Wenn mehr als sagen wir 250 Satelliten beteiligt sind, spricht man von einer „großen Konstellation“, die manchmal sogar „Megakonstellationen“ genannt werden. Die Vorsilbe Mega bedeutet in Wissenschaft und Technik zwar eine Million, aber so viele sind es dann doch nicht.

Der neueste Trend sind dabei große Konstellationen von Kommunikationssatelliten. Dafür verantwortlich ist unsere Gier nach immer größerer Internetbandbreite. Machen Sie sich einfach einmal bewusst, dass Ihr eigener Datenverbrauch in den letzten 5 bis 10 Jahren leicht um den Faktor 10 oder sogar 100 gestiegen ist. Und das nicht nur zu Hause. Überall nutzen wir mobile Datennetze, sei es im Flugzeug, auf einer Kreuzfahrt oder sogar beim Wandern.

Nach Angaben der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) haben jedoch 49 % aller Haushalte weltweit noch keinen Internetzugang. Und wir sprechen hier nicht nur von Entwicklungsländern: 13 Millionen Europäer haben keinen Internetzugang und 65 Millionen keinen Breitbandanschluss. Nach Angaben der US-Federal Communications Commission verfügen 6 % der US-Bevölkerung über keinen schnellen Internetzugang, in ländlichen Gebieten sogar jeder Vierte. Nur 31 % der Haushalte in den USA haben die Möglichkeit, einen Glasfaseranschluss zu beantragen (in Spanien sind es über 90 %).

Da bis zu 70 % der Kosten für die Verlegung von Glasfaserkabeln auf Bauarbeiten entfallen (z. B. das Ausheben von Gräben) und sich elektromagnetische Signale in Glasfaserkabeln nur halb so schnell ausbreiten wie im Vakuum, erscheint die Bereitstellung von Internetzugängen über Satelliten sinnvoll.

Und diese Idee ist auch nicht neu. Bereits 2004 begannen sogenannte High-Throughput-Satelliten (HTS) wie Anik F2 mit 2 Gbit/s Übertragungsleistung den GEO-Orbit zu bevölkern und erreichten 2010 mit dem KA-SAT 90 Gbit/s (das Dreifache der vom europäischen Betreiber Eutelsat angebotenen Kapazität). 2011 dann kam ViaSat-1 auf 140 Gbit/s (und erzielte damit eine höhere Leistung als alle anderen amerikanischen Satelliten zusammen). Die neue Generation von VHTS-Satelliten (Very High Throughput Satellites) wird mehr als 500 Gbit/s und möglicherweise sogar Terabits erreichen (für 2022 ist der Start mehrerer solcher Satelliten geplant: Konnect VHTS, Jupiter 3 und wahrscheinlich zwei der drei Satelliten des Systems ViaSat-3).

Die Latenzzeit (die Zeit, die z. B. zum Hoch- und Herunterladen einer WhatsApp-Nachricht benötigt wird) hängt jedoch von der Entfernung zum Satelliten ab, und die beträgt in einer geostationären Umlaufbahn mehr als eine halbe Sekunde. Diese Verzögerung stört nicht, wenn wir Filme auf Netflix anschauen(solange das Streaming nicht unterbrochen wird), ist aber zu lang für kritische Anwendungen wie Finanzdienstleistungen, Telemedizin oder auch Videospiele. Deshalb müssen wir die Satelliten näher heranbringen, d. h., in die niedrige Erdumlaufbahn LEO (Low Earth Orbit), um Latenzzeiten in der Größenordnung von 50 ms zu erreichen.

Dabei gibt es jedoch ein Problem: Während ein GEO-Satellit kontinuierlich 42 % der Erde sieht, decken LEO-Satelliten nur einen viel kleineren Teil der Welt ab. Wir erreichen wir also die Nutzer? Die Antwort darauf ist die Aussetzung vieler Satelliten.

Dies ist der Grund für große Konstellationen von Kommunikationssatelliten. Zwar war die Strategie schon lange angedacht, doch erst vor kurzem wurde die (theoretische!) Wirtschaftlichkeitsschwelle dank einer Reihe technologischer Fortschritte wie der Miniaturisierung von Antennen und Verstärkern sowie der Kosteneinsparung bei Herstellung und Start der Satelliten (durch wiederverwendbare Raketen und kleinere Trägersysteme) überschritten. Das wichtigste Teil des Puzzles ist jedoch die Antenne des Nutzerendgeräts: Während eine einfache, feststehende Plastikschüssel ideal für die Kommunikation mit Satelliten im GEO-Bereich ist, erfordern LEO-Konstellationen sehr komplexe Antennen, die mehrere Satelliten gleichzeitig verfolgen können, während sie über den Himmel sausen.

Die Anzahl der angekündigten großen Konstellationen ist überwältigend, obwohl der Eindruck entsteht, dass viele von ihnen nicht die PowerPoint-Phase überstehen werden. Folgende Tabelle gibt einen Überblick über die meiner Meinung nach am ehesten realisierbaren Projekte, wobei zu beachten ist, dass nur OneWeb (mit Beteiligung von GMV am Kontrollsegment!) und Starlink schon mit dem Aufbau ihrer Netze begonnen haben.

Licht, aber auch Schatten

Soviel zu der strahlenden Seite der großen Konstellationen von Kommunikationssatelliten. Aber sie haben auch ihre Schattenseiten.

Die erste ist für uns alle offensichtlich: die Auswirkungen auf den Nachthimmel. Viele von uns haben den „StarLink-Zug“ gesehen, eine spektakuläre „Perlenkette“, die jedem Start der SpaceX-Satelliten folgt, bis sie ihre Betriebsumlaufbahn erreichen. Aber selbst dort werden die Satelliten leuchten, wenn die Sonne von ihren Solarpanels reflektiert wird.

Am deutlichsten sind dabei die Auswirkungen auf die Amateurastronomie, aber auch die professionelle Astronomie (insbesondere optische Großfeldteleskope) und die Radioastronomie sind betroffen. So gab die Internationale Astronomische Union (IAU) nach dem ersten Start von Starlink im Juni 2019 eine entsprechende Erklärung ab.

 

 

Ein weiterer Nachteil ergibt sich aus der schieren Anzahl der Satelliten. In 10 Jahren werden zwischen 10.000 und 50.000 Satelliten die Erde umkreisen, je nachdem, welche Konstellationen erfolgreich umgesetzt werden. Dies sind fünf- bis zehnmal mehr als heute (obwohl sich ihre Masse in der Umlaufbahn aufgrund ihrer geringeren Größe „nur“ um das Zwei- bis Vierfache erhöhen wird). Das Management einer so großen Anzahl von Objekten stellt eine gewaltige Herausforderung dar, sowohl im Hinblick auf den Betrieb der Konstellationen (Deorbit-Manöver...) als auch auf die Überwachung der Annäherungen zwischen den Objekten (einschließlich bemannter Raketenstarts) und die mögliche Entstehung von Weltraumschrott (mit dem Risiko des Kessler-Syndroms oder einer Ablationskaskade: die Möglichkeit, dass eine Kollision in der Umlaufbahn aufgrund des Dominoeffekts der erzeugten Trümmer andere Flugkörper treffen könnte).

Schlussfolgerungen

Das Weltall ist ein Motor der Lebensqualität.

Die Erdbeobachtungssatelliten (Meteorologie, Naturkatastrophen, Umweltbeeinträchtigung durch den Menschen usw.) und die Weltraumbeobachtung (Weltraummeteorologie, Meteoriten usw.) liefern dank Navigationssatelliten präzise geografische Daten und Fakten. Nach ihrer Filterung, Ordnung und Korrelation (evtl. mit Techniken der künstlichen Intelligenz), liefern diese Daten nützliche Informationen und Wissen. Die Kommunikationssatelliten tragen zur Verbreitung dieser und aller anderen für uns nützlichen Informationen bei, einschließlich der Unterhaltung (Sportübertragungen, Kinofilme, Videospiele usw.). Die Beobachtungs-, Navigations- und Kommunikationssatelliten haben eine entscheidende Rolle bei der globalen Bewältigung der COVID-19-Pandemie gespielt.

Insbesondere große Konstellationen von Telekommunikationssatelliten werden dazu beitragen, die digitale Kluft zu überbrücken, indem sie den Zugang zu Informationen demokratisieren. Daraus ergeben sich interessante Geschäftsmöglichkeiten für den Raumfahrtsektor und die Chance, eine gerechtere digitale Gesellschaft aufzubauen.

Doch wie schon das Peter-Parker-Prinzip besagt, folgt aus großer Macht auch große Verantwortung.

GMV setzt sich dafür ein, die Kräfte in der Branche im Sinne größerer Nachhaltigkeit zu bündeln, was als Green New Deal for Space bezeichnet wurde: Förderung wiederverwendbarer Trägerraketen, Verwendung effizienterer und umweltfreundlicherer Treibstoffe insbesondere im Hinblick auf Treibhausgase, Vermeidung und Verringerung des Weltraummülls sowie Erhaltung des Nachthimmels für künftige Generationen, und sich dem Grundsatz Space for everyone anzuschließen, der die Ziele der UN-Initiative Space Economy zusammenfasst.

Autor: Juan Carlos Gil Montoro

(Twitter: @ApuntesCiencia)

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