Die neue Rolle hochpräziser und sicherer GNSS-Systeme im Automobilbereich
Globale Satellitennavigationssysteme (GNSS), insbesondere das amerikanische GPS und das europäische Galileo, sind mittlerweile vollständig in unser tägliches Leben integrierte Technologien. Wir finden sie in unseren Fahrzeugen, Mobiltelefonen, Wearables und Geräten im Allgemeinen, und wir haben uns vollständig daran gewöhnt, jederzeit und überall unseren Standort zu kennen.
Eine der am weitesten verbreiteten GNSS-Anwendungen ist die Tür-zu-Tür-Navigation. Als Autor dieses Textes muss ich zugeben, dass ich mich manchmal ärgere, wenn ich sehe, dass auf der Straße, im Fernsehen, in den Nachrichten, den Zeitungen usw. die Navigation per Satelliten ständig pauschal „GPS“ genannt wird. In Wirklichkeit bezieht sich der Begriff GPS (der nicht einmal streng genug ist, da man eigentlich GNSS sagen müsste, da es noch andere Positionierungssysteme wie Galileo, BeiDou, Glonass usw. gibt) auf die Technologie, mit der ein Gerät seine aktuelle Position, Geschwindigkeit und seinen Kurs bestimmen kann. Denn durch Straßen und Wege zu navigieren, um eine Zieladresse zu erreichen, hängt von den Karten und den Algorithmen zur Wegberechnung in den Navigationsgeräten oder -anwendungen ab, nicht jedoch direkt von der GNSS-Position (obwohl ohne das eine das andere nicht existieren könnte).
Beeinflusst durch diese Analogie und mit Blick auf den Automobilmarkt besteht immer noch die traditionelle Tendenz, die GNSS-Systeme mit dem Multimediabereich der Fahrzeuge (zu dem üblicherweise auch die Navigationssysteme gehören) in Verbindung zu bringen. Für diese klassischen GNSS-Anwendungen (in die auch die Notrufsysteme einbezogen werden können) ist GNSS allein ausreichend und kann Genauigkeiten von etwa 5 bis 10 m bei einer Frequenz oder 3 bis 5 m bei mehreren Frequenzen erreichen. Diese Genauigkeit kann mit Hilfe von Erweiterungssystemen wie DGNSS oder SBAS sogar noch auf 1 bis 3 m verbessert werden.
Diese Genauigkeit, so erstaunlich sie uns auch erscheinen mag, reicht jedoch nicht aus, um die anspruchsvollsten Anforderungen der neuen Anwendungen im Bereich der kooperativen Systeme oder des autonomen Fahrens zu erfüllen. In dieser Welt müssen die verwendeten Systeme die Verfügbarkeit der globalen Ortungsfunktion und die oben erwähnten Genauigkeitsstufen schrittweise erhöhen. Dort treten nun die hochpräzisen GNSS-Systeme (PPP, RTK, PPP-RTK) auf den Plan, denn mit ihnen können wir eine Genauigkeit im Zentimeterbereich erreichen, die, ergänzt durch andere lokale Sensoren wie Radar, Kameras oder LiDAR, die Aufgabe erfüllt, die Position eines Fahrzeugs mit höchster Präzision zu bestimmen.
Bei Anwendungen, bei denen die Sicherheit im Vordergrund steht, wie z. B. beim autonomen Fahren, müssen unsere Systeme jedoch noch mehr leisten als bloße Präzision. Es hat wenig Sinn, eine genaue Positionsangabe zu haben, wenn wir nicht wissen können, ob diese Position, die wir in ein Sicherheitssystem eingeben, falsch oder richtig ist. Der Mehrwert dieser sicheren Positionierungssysteme besteht darin, dass sie eine „sichere“ Position liefern, d. h. hohe Genauigkeit gepaart mit Zuverlässigkeit. Zu diesem Zweck implementieren diese Systeme das Konzept der Integrität in die Ermittlung der Position, dank der Erkennung und des Ausschlusses von Fehlerquellen, die die Position beeinflussen können, und dies in Echtzeit, also schon während der Berechnung der Position. Auf diese Weise können wir einen Vertrauensbereich berechnen, der als Schutzniveau bekannt ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass die tatsächliche Position (berechnete Position minus Fehler) außerhalb des Vertrauensbereichs um die berechnete Position herum liegt, wird dann extrem gering und liegt unter der Zielwahrscheinlichkeit (bekannt als Target Integrity Risk oder TIR). Je niedriger die Ziel-TIR, desto höher das Schutzniveau, da bei der Begrenzung des Fehlers mehr Überlegungen zu berücksichtigen sind.
Neben dem Vertrauensbereich und dem Schutzniveau ermöglicht die Einhaltung von Normen wie der ISO 26262 oder ISO 21448 (SOTIF) bei der Entwicklung solcher Systeme sowie das Konzept der Integrität dem System, ein angemessenes ASIL (Automotive Safety Integrity Level, auf Deutsch Automobilsicherheits-Integritätsniveau) zu erreichen und die GNSS-Komponente mit dem Ziel mit anderen ASIL-Subsystemen zu integrieren, zum Safety case (Sicherheitsnachweis) des Fahrzeugs beizutragen.
In jedem Fall macht GNSS wie bereits erwähnt beim autonomen Fahren nur dann Sinn, wenn es auch mit anderen Sensoren kombiniert wird. Für sich allein genommen reicht GNSS zur Führung eines autonomen Fahrzeugs nicht aus (auch nicht ohne Berücksichtigung externer Elemente wie Hindernisse, andere Fahrzeuge usw.), denn das System hat seine Grenzen, insbesondere in Gebieten mit schlechter Sicht am Himmel, wie z. B. in städtischen Umgebungen oder Tunneln. In diesen Fällen ermöglicht die Integration von Informationen anderer Sensoren wie Trägheitssensoren, Wegstreckenzähler usw. die Fortsetzung der Lokalisierungsfunktion durch eine Projektion der letzten bekannten GNSS-Position für einen kurzen Zeitraum. Wenn wir uns zudem vor Augen führen, wie autonome Autos funktionieren, sehen wir, dass sie zahlreiche weitere Sensoren an Bord haben, wie Kameras, Radar und LiDAR, die die Rolle des menschlichen Auges bei der Gestaltung des Wahrnehmungssystems des Fahrzeugs übernehmen. Zusammen mit der künstlichen Intelligenz liefert diese Wahrnehmung dem Fahrzeug Wissen über seine Umgebung und Hindernisse, sowohl statische als auch dynamische, erwartete und unerwartete. Gemeinsam bilden das Wahrnehmungssystem, die KI und das globale Positionierungssystem, das auch die Geschwindigkeit und den Kurs des Fahrzeugs liefert, die entscheidenden ADAS-Komponenten für das autonome Fahren.
In diesem Paket ist die hochpräzise und sichere GNSS-Lösung systemarchitektonisch von den Wahrnehmungssensoren und Karten unabhängig. Gemäß ISO 26262-9 zur funktionalen Sicherheit kann die Kombination unabhängiger Teilsysteme mit einer relativ niedrigen ASIL-Stufe (ASIL-B) durch die Implementierung von Redundanz einer höheren ASIL-Stufe (z.B. ASIL-D) erreichen. Wenn als Teil des Sicherheitskonzepts des Fahrzeugs ein sicheres GNSS-System verwendet wird, das ASIL-B erreicht, kann der Fahrzeughersteller die erforderlichen höheren ASIL-Stufen erreichen. Dies ist besonders wichtig, wenn man bedenkt, dass GNSS kostengünstig und in einer Vielzahl von Umgebungen unter allen Wetterbedingungen eingesetzt werden kann, einschließlich Situationen ohne visuelle Referenzen, die andere ADAS-Systeme beeinträchtigen, wie z. B. Wüsten, verschneite Straßen usw.
Zusätzlich zu seinem Beitrag zum Sicherheitsnachweis kann das GNSS-System auch zur Initialisierung und Kalibrierung anderer Wahrnehmungssensoren verwendet werden, was eine effizientere Nutzung der Plattformressourcen ermöglicht. Es stellt weiterhin eine zuverlässige Quelle für die dynamische Aktualisierung von HD-Karten (z. B. durch SLAM oder andere Techniken) dar. Schließlich noch kann die Kombination aus präziser Positionierung und dem oben beschriebenen Schutzniveau der Schlüssel sein, um eindeutig festzustellen, ob ein bestimmtes geografisches Gebiet betreten oder verlassen wird (Geofencing). Dies ist besonders wichtig beim autonomen Fahren, um sicherzustellen, dass das Fahrzeug eine bestimmte Infrastruktur (z. B. eine Autobahn) erreicht hat, auf der ein höherer Automatisierungsgrad erlaubt ist. Kurzum, die Zahl der Anwendungen für eine genaue und zuverlässige Positionsbestimmung nimmt ständig zu.
Die meisten Fahrzeughersteller haben bereits damit begonnen, die Vorteile zu erkennen, die Lösungen wie Point Safe® for Automotive, welche von u-blox geliefert wird und das Produkt GMV GSharp® for Automotive enthält, für alle in diesem Text beschriebenen Anwendungsfälle bieten können. Zurzeit wird diese Technologie noch analog zu anderen autonomen Fahrfunktionen nur langsam in bestimmten Modellen eingeführt, aber der Markt für solche Lösungen dürfte in den kommenden Jahren erheblich wachsen.
Das heißt, dass die GNSS-Systeme in der Automobilwelt gerade erst am Beginn eines langen Erfolgsweges stehen.
Autor: Carlos Busnadiego Gutiérrez